von Heinz-Hermann Weitkemper
Vor allem in Bielefeld stand die Textilproduktion für Wachstum und Qualität. Voraussetzung für die Produktion von Wäsche waren effektive Nähmaschinen und billige Arbeitskräfte.
Es waren zumeist junge Frauen aus gutbürgerlichen Familien, die im Alter von 14-15 Jahren ihre Ausbildung zur Näherin begannen. Heirateten diese Frauen später einmal, so hatten sie immer noch die Möglichkeit, durch Heimarbeit, die Familienkasse aufzubessern.
Das Arbeitsklima war hierarchisch, mitunter auch repressiv, unter den Näherinnen aber kollegial und herzlich. Die Arbeitsbedingungen waren für heutige Betrachter „suboptimal“: Lärm, Enge und Akkord gaben den Takt vor. Konkret waren es die lange Wochenarbeitszeit von 54 Stunden und anders, als bei den Männern, niedrige Löhne. Trotz dieser Umstände war der Beruf der Näherin sehr begehrt. Denn im Vergleich zur Arbeit in der Spinnerei oder Weberei, war die Tätigkeit einer Näherin weit weniger schmutzig, laut und anstrengend und daher auch attraktiver.
„Er stand an seinem Schreibpult und musterte uns aufmerksam, dann nickte er, daran kann ich mich noch gut erinnern. (…) Er war sehr aufmerksam und registrierte alles.“
(U.B. Näherin)
„Es war unmöglich in die Gewerkschaft einzutreten oder zu streiken…“
(F.S. Näherin)
„Es war sowieso so, dass wenn ich mal krank war – ich war ja nicht oft krank, aber wenn ich mal krank war, dann hatt’ ich echt Panik anzurufen, dass ich nicht kommen konnte.“
(C.H. Näherin)
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Niedrige Löhne bedeuteten für den Unternehmer einen höheren Gewinn. Es war und ist die übliche Praxis in der Wäscheproduktion, die billigsten verfügbaren Arbeitskräfte zu beschäftigen, denn niedrige Löhne bedeuten einen höheren Gewinn.
Der Niedergang der Wäschefabriken beruhte allerdings nicht nur auf gestiegenen Lohnkosten.
Missmanagement, hohe Stückzahlkosten und ein geändertes Konsumverhalten machten für viele Unternehmer in Bielefeld die Wäscheproduktion unrentabel. Einige Firmen gaben auf, andere verlegten ihre Fabrikation ins Ausland. Für die Näherinnen verbesserten sich die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken weltweit nicht.
Dieses und weitere Ereignisse der Industrialisierung im Überblick
Quellen und weiterführende Literatur
Tabaczek, Martin, Altenberend, Johannes, Hemd und Aussteuer, in: Ravensberger Blätter 1986, Heft 1, Bielefeld 1986, S.13–15.
Kühne, Hans-Jörg, Aufstieg und Niedergang der Bielefelder Wäsche- und Bekleidungsindustrie am Beispiel der Unternehmen von Juhl & Helmke und der Gebrüder Winkel, in: 83. Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg, Bielefeld 1996, S. 113–139.
Roeckner, Katja, Goldene Jahre oder Krise vor der Krise, Bielefelder Metall- Textil- und Wäscheindustrie, Bielefeld 2000, Magisterarbeit, StA Bielefeld.
Entstanden im Rahmen des Projektseminars “Stadtgeschichte digital – Bielefeld im 19. und 20. Jahrhundert”, 2023/24, Universität Bielefeld